Das Kerbholz
DIE REDEWENDUNG
"Etwas auf dem Kerbholz haben" bezieht sich auf das Kerbholz, ein Hilfsmittel bei der Buchführung aus früheren Zeiten: Als noch nicht so viele Menschen lesen und schreiben konnten und daher schriftliche Quittungen unüblich waren, wurden zur Aufzeichnung und zum Nachweis beispielsweise von Warenlieferungen, Arbeitsleistungen und Schulden Kerbhölzer, auch Kerbstöcke genannt, verwendet.
Auch in Wirtshäusern waren Kerbhölzer üblich, um festzuhalten, welcher Gast wie viel getrunken hatte. Davon zeugt z.B. die völlig in Vergessenheit geratene Redensart "aufs Kerbholz trinken". In diesem Bereich setzten sich später aber Tafel und Kreide durch (siehe jemandem etwas ankreiden).
Wer also Schulden gemacht oder Lieferungen und Arbeitsleistungen noch nicht beglichen hatte, der hatte etwas auf dem Kerbholz.
Geschichte
Ein geeignetes längliches Brettchen oder ein Stock wurde mit Symbolen markiert. Anschließend wurde das Holz längs gespalten oder geteilt, so dass Schuldner und Gläubiger die an der Trennstelle zusammenpassenden Einritzungen auf ihrer Stockhälfte dokumentiert fanden. Meist erhielt der Gläubiger das längere Teilstück. Wieder zusammengefügt zeigte sich zweifelsfrei, ob die beiden Hälften zusammengehörten oder ob eine Hälfte nachträglich manipuliert worden war.
An einem bestimmten Termin (Zahltag) wurde das Kerbholz präsentiert, mit dem Gegenstück verglichen und der Schuldner zur Zahlung aufgefordert. Nach der Abrechnung und Bezahlung wurde das Holz "abgekerbt", es wurden also die Kerben mit Feile, Hobel oder Messer entfernt
Zur Zeit des Mittelalters in einem weitgehend schreibunkundigen und münzarmen Europa war der Kerbstock ab dem 10. bis 12. Jahrhundert gebräuchlich. Der Kerbstock galt bei mittelalterlichen Gerichten als Beweismittel. Noch der Code Napoléon erwähnt den Kerbstock als Schuldurkunde in Art. 1333.
In den Alpenländern wurde der Kerbstock noch im 20. Jahrhundert – besonders in der Alm- bzw. Alpwirtschaft – verwendet.
IN DER PREUSSISCHEN PROZESSORDNUNG 1781 HEISST Es:
"beweiseskraft haben die auf dem lande gewoehnlichen kerbhoelzer, wenn beyde stuecke uebereinstimmen. kann eine parthey das ihrige nicht herbeyschaffen, so muß der gegner zur eidlichen bestaerckung des seinigen verstattet werden, in so ferne er nicht ueberfuehrt werden kann, daß das fehlende kerbholz durch seine schuld abhaenden gekommen".